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Carlo Jordan
Gedenkstein im Rosenhof

In Memoriam

Carlo Jordan

In Memoriam

Wir trauern um Carlo Jordan. Seine Vita spiegelt die Geschichte von Anderssein und Opposition in der DDR wider.

Karl-Heinz Jordan wurde am 5. Februar 1951 geboren und wuchs in Berlin-Friedrichshain auf, wo ihn schon bald alle Carlo nannten. Bereits als Kind und Jugendlicher engagierte er sich für kulturelle Freiräume und geriet dadurch früh mit der SED-Diktatur in Konflikt. Jordan absolvierte eine Lehre als Zimmerer und schloss ein Studium des Bauingenieurwesen ab. In den 1970er Jahren beteiligte er sich an Protestaktionen gegen die SED-Diktatur, etwa gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermanns. 1978 nahm Carlo Jordan ein Fernstudium der Geschichtswissenschaft und Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin auf. 1982 wurde er jedoch wegen fehlender Bindung an die DDR der Universität verwiesen.

Carlo Jordan ist ein Urgestein der Oppositionsbewegung in der DDR: 1986 gehörte er zu den Mitbegründern der Berliner Umweltbibliothek und schrieb Artikel für die Untergrundzeitschrift Umweltblätter. Ab 1987 wirkte er zudem an Dokumentarfilmen mit, die die Umweltverschmutzung in der DDR anprangerten. 1988 gründete er mit Gleichgesinnten das Grün-ökologische Netzwerk Arche und unterzeichnete einen offenen Brief an die KSZE-Nachfolgekonferenz, in dem Reisefreiheit für DDR-Bürger gefordert wurde. Das Ministerium für Staatssicherheit verfolgte ihn mit mehreren Operativen Vorgängen.

Auch am Aufbau demokratischer Strukturen wirkte Carlo Jordan aktiv mit. 1989 war er Mitbegründer der Grünen Partei in der DDR und deren Sprecher am Zentralen Runden Tisch sowie Abgeordneter in der ersten frei gewählten Stadtverordnetenversammlung von Ost-Berlin. Von 1994 bis 1995 war Jordan für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.

Besonders viel hat die Aufarbeitung der SED-Diktatur Carlo Jordan zu verdanken. Im Januar 1990 beteiligte er sich an der Erstürmung der Stasi-Zentrale und initiierte die Gedenk- und Forschungsstätte Normannenstraße, die seitdem in der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg über die Geschichte und Arbeitsweise der Stasi und Widerstandsbewegungen in der DDR informiert.

Jordan promovierte im Jahr 2000 mit einer Arbeit über das Aufbegehren, die Säuberungen und die Militarisierung der Humboldt-Universität zu Berlin von 1945 bis 1989. Zudem setzte er sich in zahlreichen Publikationen mit der Geschichte der Umweltbewegung während der SED-Herrschaft auseinander.

Von seinem großen Wissen und seiner beeindruckenden Erzählkraft berichten zahlreiche begeisterte Rückmeldungen von Besucherinnen und Besuchern, die er von 2011 bis 2018 durch die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen führte. Carlo Jordan gab seine Ideale und Überzeugungen an die nachwachsenden Generationen weiter und ermutigte sie, sich aktiv für unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft und den ihm so wichtigen Schutz der Umwelt einzusetzen. Sein Engagement führte ihn auch im Rahmen seiner Einsätze für das Koordinierende Zeitzeugenbüro bundesweit an Schulen und andere Bildungseinrichtungen. Ihm gelang es durch sein Kommunikationstalent, Gedankenanstöße zu geben und dadurch viele Menschen anzuregen, sich mit der Geschichte der DDR auseinanderzusetzten. Dafür sind wir ihm sehr dankbar.

Unvergessen werden seine Kameradschaft und seine Herzlichkeit bleiben, mit der er anderen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in schwierigen Lebenslagen zur Seite stand. Noch im Sommer beteiligte er sich an der Vorbereitung der Geburtstagsfeier und damit schöner Stunden für einen gesundheitlich angeschlagenen Mitstreiter.

Seine Lebensleistung erfuhr vielfache Würdigungen - Carlo Jordan wurde 2019 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet, das nur für herausragendes Engagement für unser Gemeinwesen verliehen wird.

Am 13. Dezember 2023 ist Carlo Jordan gestorben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen trauern um einen Menschen, der Zeit seines Lebens seinen Überzeugungen treu geblieben ist und dem die Aufarbeitung der SED-Diktatur immer eine Herzensangelegenheit war. Wir haben ihm sehr viel zu verdanken und werden diesen ganz besonderen Menschen nie vergessen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, seinen Freundinnen und Freunden und all den Menschen, die ihn genauso sehr vermissen wie wir ihn.