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Reinhard Fuhrmann
Zellengang im Neubau

Schicksale

Reinhard Fuhrmann

Reinhard Fuhrmann wurde 1948 in Berlin (Prenzlauer Berg) geboren. 1968 nahm er ein Philosophie- und Geschichtsstudium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena auf, wo ihn bald eine Gruppe oppositioneller Studenten aufnahm. Mit der Gruppe verfasste er eine kritische Schrift über den Sozialismus in der DDR, die vervielfältigt und an Gleichgesinnte an anderen Universitäten verteilt wurde. 1970 geriet die Gruppe ins Visier der Bezirksverwaltung Gera der Staatssicherheit. Sie legte gegen Fuhrmann einen „Operativen Vorgang” an.

Im Juli 1971 wurde Fuhrmann – mitten in seinem Staatsexamen – auf Initiative eines „hauptamtlichen inoffiziellen Mitarbeiters” der Staatssicherheit exmatrikuliert und auf Lebenszeit für sämtliche Hoch- und Fachschulen der DDR gesperrt. Am 26. Juli 1972 flüchtete der 24-jährige mit einem Freund aus der Gruppe über die grüne Grenze von Bulgarien nach Jugoslawien. Dort wurden beide von jugoslawischen Grenzsicherungsposten festgenommen und am Folgetag nach Bulgarien ausgeliefert. Die Staatssicherheit überführte ihn am 1. September 1972 von Sofia in ihre Untersuchungshaftanstalt Gera.

Die dortigen Verhöre hatten den Zweck, nützliche Informationen über die Entstehung und das Funktionieren oppositioneller Studentengruppen zu gewinnen, indem Fuhrmann die Gelegenheit bekam, die Beschuldigung zu entkräften, er habe eine „konterrevolutionäre Organisation” aufgebaut.

Am 6. Dezember 1972 verurteilte das Kreisgericht Gera Fuhrmann wegen „ungesetzlichem Grenzübertritt im vollendeten und schweren Fall” zu zwei Jahren Gefängnis. Seit dem 22. Dezember 1972 war er im Haftarbeitslager X der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert. Im Juli 1973 verlegte man ihn in das Abschiebegefängnis in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Von dort wurde er von der Bundesrepublik freigekauft und kam am 26. Juli 1973 in das Notaufnahmelager in Gießen.

Danach arbeitete Fuhrmann in West-Berlin als freier Mitarbeiter für Verlage, als Taxifahrer und Stadtführer und nach der Wiedervereinigung im Prenzlauer-Berg-Museum.

Seit 2002 ist er als Besucherreferent in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und für das Koordinierendes Zeitzeugenbüro tätig.