Harry Santos
Harry Santos wurde 1955 in Leipzig geboren und wuchs seit seinem elften Lebensjahr in Thüringen auf. Obwohl er bereits früh künstlerisches Talent bewies, verhinderte sein Vater, ein höherer SED-Funktionär, eine Berufsausbildung zum Porzellanmaler. Stattdessen absolvierte er eine Ausbildung in einer volkseigenen Spedition und verbrachte anschließend einen achtzehnmonatigen Grundwehrdienst in der NVA.
1977 zog H. Santos nach Ost-Berlin, arbeitete dort u.a. als Krankenwagenfahrer und unterhielt enge Kontakte zur Dissidentenszene. 1979 entschied er sich, gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin die DDR zu verlassen und stellte Ausreiseanträge in die Bundesrepublik. Um das Ganze zu beschleunigen, sollte seine Lebensgefährtin eine Scheinehe mit einem amerikanischen Staatsbürger eingehen. Diese konnte daraufhin die DDR tatsächlich zeitig verlassen, seine eigene bevorstehende Ausreise jedoch wurde gecancelt. Infolgedessen sah er sich genötigt, Fluchtpläne zu schmieden. Von einer Freundin an das MfS verraten, wurde er erst observiert und am 9. November 1982 verhaftet. Wegen “Vorbereitung und Planung zum ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Fall“, wurde er zu einer einjährigen Haftstrafe mit anschließender Polizeiaufsicht verurteilt, die er in den Berliner Haftanstalten Keibelstraße, Rummelsburg und Hohenschönhausen, sowie Neustrelitz und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) verbüßte.
Im Rahmen des Häftlingsfreikaufs durch die Bundesrepublik Deutschland wurde H. Santos am 4. August 1983 vorzeitig entlassen und in die Bundesrepublik abgeschoben. Nach einem kurzen Aufenthalt im Notaufnahmelager Gießen gelangte er nach West-Berlin und arbeitet heute als Referent in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Buchautor und bildender Künstler. Seit 2011 ist er auch als Zeitzeuge an Schulen und Bildungseinrichtungen für das Koordinierende Zeitzeugenbüro tätig.
Weiterführende Informationen
- Harry Santos, Im schweren Fall. Ein Leben als Soldat, Dissident und Sträfling, Berlin 2024.