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Dieter Drewitz

Dieter Drewitz

Der 17. Juni 1953 schärfte sein politisches Bewusstsein. Den 13. August 1961 bezeichnete er selbst als schlimmsten Tag seines Lebens. Jahrzehntelang vom Staatssicherheitsdienst überwacht, zweimal inhaftiert, gedemütigt und schikaniert - die Willkür der DDR-Diktatur prägte das Leben von Dieter Drewitz und ließ ihn zu einem entschlossenen Streiter für die Aufarbeitung des SED-Unrechts werden.

Geboren 1943 in Schulzendorf, erlebte Drewitz als knapp Zehnjähriger den Volksaufstand am 17. Juni 1953 in Berlin. Ein Erlebnis, welches er sehr bewusst wahrnahm und das zu einer frühzeitigen Distanzierung gegenüber dem SED-Regime führte. Ein Jahr vor seinem Abitur wurde der Oberschüler am 13. August 1961 erstmalig vom Staatssicherheitsdienst verhaftet. Unwissentlich hatte er ein Polizeigebäude an der Ostsee fotografiert. In den tage- und nächtelangen Verhören in der Untersuchungshaftanstalt Rostock wurde der Versuch unternommen, ihm die Bestätigung einer Spionagetätigkeit zu entlocken. Glückliche Umstände führten nach zwei Wochen zu seiner Entlassung, jedoch musste er eine Schweigeerklärung unterschreiben. Drewitz machte eine Lehre als Dekorateur und begann anschließend ein Studium der Ausstellungsgestaltung und Grafik an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin. Unterbrochen wurde dieses durch eine zweite Inhaftierung. Der Grund waren zwei Briefe, die er unter dem Kennwort „Alpenveilchen“ im Rahmen einer Hörerdiskussion zum Thema „Möglichkeiten einer deutschen Wiedervereinigung“ an den Rundfunksender RIAS in West-Berlin geschrieben hatte. Daraufhin geriet er im September 1966 erneut ins Visier der Staatssicherheit und kam in die Untersuchungshaftanstalt nach Potsdam. Verurteilt zu einem Jahr und sechs Monaten wegen „fortgesetzter Verbindungsaufnahme zu einer verbrecherischen Organisation“ und „staatsgefährdender Hetze und Propaganda“, verbüßte er seine Haftstraße in der Strafvollzugsanstalt Cottbus und im Haftarbeitslager „Schwarze Pumpe“ in Spremberg. Nach seiner Freilassung im März 1968 schloss Drewitz sein Studium als Werbeökonom ab und war im Anschluss u.a. für den VEB Berliner Metallhütten und Halbzeugwerke in Berlin-Oberschöneweide tätig. Seit 1986 stellte Drewitz wiederholt Ausreiseanträge. Nach zwei Jahren massiver Schikane durfte er jedoch erst 1988 nach West-Berlin ausreisen. Dort arbeitete er bis zu seiner Pensionierung als Marketingleiter in der Kieback & Peter GmbH & Co KG.

Im Januar 2004 nahm Dieter Drewitz Kontakt zum Zeitzeugenbüro der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen auf. Es war ihm ein Bedürfnis, „einen kleinen Beitrag zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts zu leisten“ und für die Bedeutung von Demokratie und Freiheit zu sensibilisieren. Unzählige Besuchergruppen führte er seitdem als Zeitzeuge durch die Gedenkstätte. Seit 2010 engagierte er sich im Koordinierenden Zeitzeugenbüro und berichtete an Schulen und Universitäten, um insbesondere jungen Menschen zu zeigen, „dass hinter der scheinbar sozialen und friedfertigen Fassade ein erbarmungsloser Propaganda-, Spitzel-, Überwachungs-, und Terrorapparat stand, der seinesgleichen in der Geschichte sucht.“.
Sein Schicksal war Teil des Theaterstücks „Staatssicherheiten“ und ist Inhalt des Buches „Kennwort „Alpenveilchen“. Zwischen Stasiknast und Kaltem Krieg. Erinnerungen eines Unbequemen.“

Dieter Drewitz verstarb nach schwerer Krankheit am 10. Juni 2018 in Berlin.