17.7.2020 |
Trauer um Norbert Krebs

Krebs4
Foto: © Dirk Vogel

Schon auf dem Hof der Gedenkstätte kamen einem oft Essensgerüche aus der Küche der Cafeteria entgegen. Stand man am Tresen, streckte Norbert Krebs manchmal seinen Kopf aus der Küche und sah einen an: mal breit grinsend, mal etwas gehetzt. Norbert war ein besonderer Zeitzeuge in unserer Gedenkstätte, und sein Essen führte viele Kollegen zu einem Plausch zusammen. Wenn Norbert neben dem Kochen Zeit fand, konnte man sich mit ihm „über Gott und die Welt“ unterhalten. Schnell fiel einem auf, dass er sein Herz auf der Zunge trägt, niemandem nach dem Mund redete und seine Meinung offen kundtat. Leider werden wir das nicht mehr erleben können – Norbert Krebs ist im Alter von 63 Jahren am 14. Juli 2020 nach einem plötzlichen Aortenabriss und zweiwöchigem Krankenhausaufenthalt verstorben.

Sein offener und ehrlicher Charakter wurde ihm in der DDR zum Verhängnis. 1957 geboren, weigerte er sich schon als Jugendlicher, in die FDJ einzutreten. Seine Kritikfreude und seine leicht rebellische Art ließen ihn schnell mit seiner Lehrmeisterin während seiner Ausbildung als Koch aneinander geraten.

In seiner eigenen Gaststätte in Lüdersdorf nahm er sich zu Beginn der 80er Jahre die Freiheit heraus, das DDR-kritische Lied „Sonderzug nach Pankow“ des bekannten westdeutschen Sängers Udo Lindenberg zu spielen. So geriet er ins Visier der Stasi.

Mitte der 80er Jahre erfuhr er sein Familienglück und wurde Vater einer Tochter.

Sogar als Produktionsleiter des DDR-Gastronomiebetriebs Mitropa nahm er kein Blatt vor den Mund und äußerte sich vermehrt ablehnend gegenüber der SED-Führung. In der Berliner Gethsemanekirche fand er Menschen, die sein gesellschaftskritisches Engagement und sein Gerechtigkeitsempfinden teilten und wo er diesem Ausdruck verleihen konnte. Als er sich zu den Kommunalwahlen 1989 als freiwilliger Wahlbeobachter meldete und Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmen aufdeckte, erstattete er Anzeige. Wenig später gehörte er zu den Mitorganisatoren der von Bürgerrechtlern initiierten ersten Montagsdemonstration am 7. Juli 1989 auf dem Alexanderplatz. Diese mutigen Aktionen besiegelten sein Schicksal. Im August 1989 wurde er verhaftet und in die Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen gebracht.

Sein Engagement war beeindruckend: Vor sieben Jahren wurde er Koch in der Cafeteria unserer Gedenkstätte, schon zuvor - seit 2004 - überzeugte er an diesem Ort als Zeitzeuge und Referent. Seine Kollegen und Freunde bewunderten seine einzigartige Form, Führungen zu gestalten, indem er seinen ganzen Vortrag als eine wohldurchdachte Abfolge rhetorischer Fragen präsentierte. Besonders Schülerinnen und Schüler wurden so zum Mitdenken angeregt und hingen an seinen Lippen.

Über viele Jahre hinweg setzte sich Norbert Krebs auch intensiv für die Interessen und Belange der Zeitzeug*innen und anderen Referent*innen der Gedenkstätte ein.

Seine authentische Art, über Dinge zu sprechen, und seine Begeisterung, an der Gedenkstätte über DDR-Unrecht aufzuklären, werden uns allen jeden Tag fehlen. Die Gedenkstätte, aber wohl besonders die Cafeteria, wird jedoch immer ein Ort bleiben, an dem wir uns gemeinsam an ihn erinnern und ihn immer spüren werden.