7.1.2021 |
Trauer um Horst Jänichen

Jaenichen Aktuelles
Foto: © Dirk Vogel

„Engagiert, lebendig und ausdrucksstark“
So beschreibt ihn der Fotograf Dirk Vogel, der noch 2015 Porträtaufnahmen von Horst Jänichen (1931-2020) in der ehemaligen Stasi-Untersuchungshaftanstalt gemacht hat.

Horst Jänichen wurde 1946 im Alter von 15 Jahren wegen „Widerstands gegen die sowjetische Besatzungsmacht“ im sogenannten Speziallager Nr. 3 in Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert. Nach seiner Entlassung im Juli 1948 betätigte er sich weiterhin oppositionell und engagierte sich in der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU), so dass er im Dezember 1950 erneut festgenommen wurde. Wegen „Verbreitung tendenziöser Gerüchte“ verurteilte man ihn zu acht Jahren Freiheitsstrafe, die er vollständig absitzen musste. Nach seiner Entlassung im Januar 1959 floh er nach West-Berlin, wo er sich in der SPD engagierte. Von 1967 bis 1971 vertrat er die Partei im Berliner Abgeordnetenhaus, und von 1989 bis 1999 war er Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung im Bezirk Tiergarten. Seit 1973 arbeitete er in der Pressestelle des Ministeriums für innerdeutsche Beziehungen, 1989 wurde er Referatsleiter im Bundesministerium des Inneren. Er verließ seine Partei im Protest, als sie in Berlin eine Koalition mit der Nachfolgerin der SED einging.

Unermüdlich war das Engagement von Horst Jänichen für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Gleich zu Beginn der 1990er-Jahre machte er sich stark dafür, dass aus dem Stasi-Gefängnis, in dem er in seinen jungen Jahren saß, eine Gedenkstätte wurde. Dabei scheute er keine Konfrontation.

Zwei Jahrzehnte lang führte Horst Jänichen Besuchergruppen durch die Gedenkstätte. Mit seiner leisen, liebevollen und friedfertigen Ausstrahlung sensibilisierte er generationsübergreifend für SED-Unrecht. Mucksmäuschenstill waren alle Besucherinnen und Besucher während seiner Führungen. Besonders gut konnte er durch die Erzählungen über sein Schicksal die jungen Erwachsenen erreichen. Auch weil er in ihrem Alter ins Visier des sowjetischen Geheimdienstes geriet. Mit enormem Fachwissen und beispielhafter Einfühlsamkeit beeindruckte er die Besuchergruppen. Stets blieb er als höchst faszinierende Persönlichkeit in Erinnerung.

Als Zeitzeuge und Referentensprecher setzte er klare Akzente, war dabei sehr hilfsbereit, großzügig und äußerst beliebt. Auch das Zusammenführen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der unterschiedlichen Haftepochen sowie das harmonische Integrieren neuer Kolleginnen und Kollegen waren ihm ein großes Anliegen, dem er sich mit viel Herzenswärme und Liebenswürdigkeit widmete.

Heiligabend ist Horst Jänichen an den Folgen einer Corona-Erkrankung verstorben. Wir würdigen, wie er seinen schweren Lebensweg ungebrochen beschritt und genau das Gegenteil dessen ausstrahlte, was er erleben musste. Wir sind in Gedanken bei seinen Familienangehörigen. Horst Jänichen wird der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen sehr fehlen - ohne Menschen wie ihn gäbe es diesen Gedenkort heute nicht.